Vom Schnittlauch lernen

Gartenarbeit ist deshalb so befriedigend, weil es – anders als bei der abstrakten Arbeit, zu der die meisten von uns zwecks Broterwerb verdonnert sind – diese sichtbare Verbindung gibt: Man buddelt im Boden, steckt ein Samenkorn hinein, gießt brav jeden Abend und ein paar Tage später schon drückt die erste blasse Schleife sich aus der Erde, ein Keimling, der wächst und wächst, nur eine Frage der Zeit und Pflege, und schon pubertiert die Pflanze und reift.

Natürlich ist Gartenarbeit genau aus diesem Grund umso unbefriedigender, wenn es mal nicht so funktioniert, nach Plan, obwohl man doch alles gegeben hat. Und wenn es dafür an anderer Stelle wächst, obwohl man dort nichts gegeben, noch nicht einmal ausgesät hat, dann ist das eine vegetabile Watschn.


Ich habe Schnittlauch ausgesät, vergangenes Jahr schon, in einem Topf auf unserem Balkon, habe gegossen, abwartet. Die Saat ist nicht aufgegangen; dieses Jahr kam der Schnittlauch dann doch noch, aber so zögerlich und schütter, dass ich mich nicht traue davon zu ernten, aus Angst, die zarten Röhrchen könnten sich einrollen und unter die Erde zurückziehen. Cut. Ein ähnlicher Topf, gleiche Größe, gleicher Standort, nur dass im zweiten Topf der Schnittlauch aus dem Boden schießt, üppig und grün. Auch die ersten blasslila Blüten balancieren schon auf den kräftigen Spitzen. Das Absurde? Diesen Schnittlauch dürfte es gar nicht geben, er war nämlich nicht geplant. Ich habe ihn nie ausgesät. Er ist einfach so gekommen. Vom Winde verweht. Wild.

Ein paar Tage lang war ich nach der Entdeckung dieses Bastards im brachliegenden Topf (alte Erde noch vom Vorgängergrün) ein bisschen angeranzt! Aber dann habe ich verstanden, die Schönheit und Weisheit des falschen Schnittlauchs im falschen Topf: Manches läuft ohne mein Zutun besser.

 

 

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